Genre: Singer Songwriter
Wolfgang Müller, das war der edle Selbstgebrannte, den der Plattenhändler unterm Tresen hervorgeholt hat, wenn der Kunde soweit war – die Sinne geschärft, die Geschmacksnerven voll entwickelt und bereit für das Große im Kleinen, das Komplexe im Feinen, für die besonderen Lieder und Geschichten. Ein Geheimtipp. Eine Weile war Herr Müller weg, jetzt ist er wieder da mit seinem sechsten Album „Die sicherste Art zu reisen“, das die Plattenhändler wohl kistenweise in ihre Läden schieben werden. Müllers Musik ist immer noch ein edler Selbstgebrannter, aber der geht leichter rein, ein bisschen wie Brause mit Schuss, die auf sehr vielen Ebenen sehr lange nachwirkt.
Auf „Die sicherste Art zu reisen“ bricht alles auf, die Musik, die Texte, der Gesang – alles reist zu neuen Ufern. Wolfgang Müller wirkt wie wachgeküsst. Was ist passiert? Dazu später mehr. Zuerst: die Musik. Vom Korsett des Liedermachers befreit, holt er sich die Welt ins Haus. Klaviere, Streicher, Querflöten, Saxophone, Orgeln, Chöre, und die Gitarre wird nicht mehr gezupft sondern sanft geschlagen. Das alles ist derart elegant abgefedert, schwingt und rollt und will immer weiter, dass man sich fühlt wie auf einem Schoner unter vollen Segeln, auf weiten Wellen Richtung Sonne gleitend. Die Stimmung ist hier überhaupt grundsätzlich sonnig, und die von einem, der sich den ganzen Quatsch (also die Welt und was wir daraus machen) schon eine Weile angesehen hat. Wo sich die einen in Hysterie und Empörung verlieren und andere in Resignation und Dunkelheit, findet Müller den goldenen Mittelweg – „Die sicherste Art zu reisen“. Der Titelsong, einer von mindestens drei potenziellen Hits, bringt es auf den Punkt:
„Ich stecke Blumen in mein Haar und fütter’ keinen Troll / bleibe höflich und bestimmt, wenn ich sage was ich will / ich schalte auf naiv, ein freundlicher Idiot / der alles was ihm wichtig ist, ständig wiederholt /
wie ein Schwarzer-Block-Schlager“
Den Schwarzen Block und Schlager hat noch niemand zusammengedacht, aber genau zwischen diesen Extremen, „in einem Meer aus Hass / wo sich die Wellen verbeißen / und immer wütend sind“, findet Müller den Weg zum Weiter. Er sagt: „Ich suche nach einer Formel, wie man in diesen hasserfüllten Zeiten positiv und glücklich bleiben kann und trotzdem engagiert und wach ist, sich also nicht eskapistisch in eine pseudoheile Welt zurückzieht. Die ideale Mischung wäre also ein ‚Schwarzer-Block-Schlager‘, zielgerichtete, engagierte Aktion, aber eben nicht mit Hass sondern mit Liebe, nicht mit Gewalt sondern mit nervtötender Beharrlichkeit.“
„Die sicherste Art zu reisen“ ist jetzt aber auch kein Agitprop. Es geht, wie in jeder guten Literatur, um alles – das Leben („Fliegen“), das Schreiben („Der blonde Hans“), das Sterben („Herzen“), die Liebe (immer). Und da ist viel Platz zwischen den Worten für eigene Gedanken. Auch hier hat Wolfgang Müller die goldene Mitte gefunden zwischen Ansage und Abstraktion. Seinen Texten wohnt zudem eine aufrichtige Wärme und Herzlichkeit inne. Sie glühen golden wie das Cover und spenden Trost, ohne den Hörer zu belügen, weil sie ihn erkennen, bei ihm sind, die Freude teilen und den Schmerz, und ihm (oder ihr) die Hand reichen. „In meinen Träumen muss ich immer jemand retten / in meinen Träumen bin ich immer fast zu spät / in meinen Träumen renn ich und versuch die Arme auszustrecken / um aufzufangen, wer auch immer fällt.“ („In meinen Träumen“) Ein Album wie ein guter Freund, der mit eben jenem edlen Selbstgebrannten vorbei kommt, wenn man mal wieder die Segel eingerollt hat, weil man nicht mehr weiter weiß und will und kann.
Manchmal muss man auch erst aufgeben, um aufbrechen zu können. Nach seinem fünften, 2015 erschienen Album „Auf der Welt“, der anschließenden Tour und einer von ihm mitorganisierten und auf Oetinger Audio veröffentlichten Platte mit Kinderliedern („Unter meinem Bett“), war Wolfgang Müller alle, fertig, durch mit der Musik, hatte alles gesagt und sein künstlerisches Konzept ausgereizt. Seine Gitarre hat er daraufhin ein halbes Jahr nicht mehr angefasst und stattdessen Segeln gelernt und sich viel auf dem Wasser rumgetrieben. Dann kam sein Freund der Gitarrist und Produzent Dinesh Ketelsen vorbei und wollte mal wieder ein bisschen E-Gitarre spielen. So ging’s los. Neue Stücke entstanden, Müller lud weitere Musiker ein, neue und alte Bekannte, und wie so oft fiel alles auf ganz wundersame Weise zusammen. Nach fünf Tagen im Studio war dieses Album fertig, mit dem Müller sich und seine Musik quasi neu erfunden hat. Vergleichbares findet man eigentlich nur bei Gisbert zu Knyphausen und Niels Frevert – zusammen mit Wolfgang Müller sind sie die heiligen drei Könige der feinen Liedkunst in deutscher Sprache.
Was gibt’s sonst noch zu sagen über „Die sicherste Art zu reisen“? Man wird nicht besoffen davon aber angenehm beschwingt. „Americana“ und „Brachland“ sind die ersten beiden Singles. „Vormann Leiss“ ist ein Cover der famosen Irgendwie-Punk-Band Turbostaat, das inhaltlich hervorragend zu den anderen neun Stücken passt, „denn es geht darum, dass man sich selber retten kann, dass man auch, wenn man innerlich gestrandet ist, die Möglichkeit hat, sich einfach neu zu erfinden. Dass da immer Hoffnung ist.“ Gute Reise. (Tino Hanekamp)
Wolfgang Müller – Gesang & Gitarre
Dinesh Ketelsen – E-Gitarre
Gerd Bauder – Bass
Max Schröder – Schlagzeug
Felix Meyerle – Klavier & Orgel
Mat Clasen – Querflöte & Saxophon
Sie hat Gedichte in ihren Augen und die Wölfe waren mal ihre Familie. Naima ist ein Mosaik, singt sie. Sagt damit, dass wir doch am Ende deutlich vielschichtiger sind, als es auf den ersten Blick oft scheint.Naimas Musik erinnert zum Teil an Whitest Boy Alive, zu denen man locker bouncen kann und die Melodien, voller Abwechslunghaben die warme Weite vonFleetwood Mac.Das Songwriting mit seinen unumgänglichen Ohrwürmern hat eine Hippie-Leichtigkeit mit ein wenig Syntheziser-Coolness gemischt.Naima singt – das spürt man sofort – optimistisch über das Leben, ohne sich dabei womöglich für das Positive zu schämen. Sie nämlich benutzt diesen Auftrieb mehrdimensional und schlittert nicht in unreflektierte Klischees.Vielmehr ist es ihr Spiegel für genau die Kleinigkeiten, die uns alle gedanklich umtreiben, uns verunsichern und zweifeln lassen – an uns, manchmal auch an allem in der Welt. An dem, wie wir fühlen und was wir denken, wer wir sind und zu sein scheinen, sein wollen.Die Sängerin ignoriert nicht, dramatisiert aber genau so wenig. Sie beobachtet unsere Lebenswirklichkeit mit spielerischer Akribie. Dabei stellt Naima das eine neben das andere, weil da immer zwei Seiten sind und diese beiden nunmal zusammengehören. Untrennbar.Was kaputt ist, hebt sie auf, lässt es funkeln und klingen. Naima will die Zustände, die Dinge um sich herum glauben – was so einfach ist und doch so verdammt schwer. Wer unten ist, kommt schon wieder hoch irgendwann. Und wer oben ist, sollte unbedingt aufmerksam bleiben.Zweifelsohne ohne Zweifel.Es ist, was es ist, was es ist, was es ist.Und nicht mehr, nicht weniger.
Noch lange nach dem letzten Ton vibriert das Arrangement durch jede Pore, hält lebendig. Manchmal braucht es bloß die vermeintliche Flucht aus der Realität, um sich am Ende genau darin wieder zu finden: mittendrin.
Zitate:
Sieht geschrieben spröde aus, aber ja, ja, ja, man kann auch die Melancholie feiern als wär Geburtstag.
Francesco Wilking
Melancholisch, ehrlich, frisch -Dreizehn Songs melancholisch- sphärischer Pop mit eingängi- gen Liedtexten.
TAZ
Husseinis Sound, den sie mit warmen Holzschlagwerkzeugen, analog gurgelnden Orgeln, 808-Toms, viel Delay und Tremolo selbst einspielt, ist ein wundersames Gemisch aus TripHop, Dream-Pop und dem elektrifizierten R&B und Soul der Achtziger.
Spiegel online
Feinste deutsche Pop-Musik mit sehr außergewöhnlichen Texten.
Westzeit
Seit einiger Zeit gibt es Singer/Songwriter-Innen wie Mine oder Melanie de Biasio, die sich nicht scheuen, Elektronik in ihr Spiel einzubauen oder einen Rapper einzuladen. Nun kommt die Berliner Musikerin Naima Husseini mit ihrem Album „Immer alles“ dazu.
Deutschlandradio Kultur